Verewigt in der Turmkreuzkugel
Nach mehr als zwei Jahren intensiver Arbeit in luftiger Höhe war es soweit: das Projekt der Turmhelmsanierung konnte als erster und wichtigster Schritt einer Reihe umfangreicher Maßnahmen am Mariendom erfolgreich abgeschlossen werden.
Gefeiert wurde das am 5. Oktober 2021 in der Turmhalle des Mariendoms gemeinsam mit Bischof Dr. Manfred Scheuer, VertreterInnen des Domkapitels sowie der Bischof-Rudigier-Stiftung, Journalistinnen und Journalisten und natürlich auch den Beiratsmitgliedern der Initiative Pro Mariendom, allen voran LH aD Dr. Josef Pühringer. Auch einige Vertreter der Sponsorpartner waren unter den Gästen und ließen sich das Jahrhundert-Ereignis nicht entgehen. Höhepunkt der Feier war die Einbringung der Zeitkapseln in die Turmkreuzkugel in rund 130 Meter Höhe – und das am Tag genau 120 Jahre nach der ersten Einlegung der Zeitkapsel.
Bischof Manfred Scheuer und Joef Pühringer mit den Zeitkapseln / (c) Mariendom Linz
Bischof Manfred Scheuer ließ es sich nicht nehmen, die vier Kupfer-Kartuschen persönlich auf den obersten Steinbalkon des Mariendoms zu bringen und sie dort an Andreas Mayerl, Spezialist für gerüstlose Spengler- und Vergolderarbeiten, zu übergeben. Der Osttiroler Kletterer überwand gesichert die letzten 20 Höhenmeter und legte die Zeitkapseln in die goldene Kugel unterhalb des Turmkreuzes ein.
Nicht für Höhenängstliche: Andreas Mayerl beim Einbringen der Zeitkapseln in 130 Meter Höhe /
(c) Mariendom Linz
Bischof Manfred Scheuer nahm die Feier zum Anlass, um sich vor allem beim Team der Dombauhütte, aber auch bei allen Sponsoren sowie Spenderinnen und Spendern zu bedanken. „Schon bei der Grundsteinlegung hat Bischof Rudigier damals auf die Unterstützung der breiten Bevölkerung gesetzt und dazu den Dombauverein gegründet, der zu seinen besten Zeiten mehr als 100.000 Mitglieder hatte. Der kleinstmögliche Beitrag war ein Kreuzer und wurde Marienpfennig genannt. Diese Marienpfennige ließen das Bauwerk Steinreihe um Steinreihe in die Höhe wachsen und so haben viele kleine Spenden den Dombau maßgeblich mitgetragen“, so Bischof Scheuer. „Und auch heute ist uns wichtig, dass der Dom nicht etwas ist, das die Leute von außen betrachten, sondern dass da so etwas wie eine lebendige, innere Beziehung besteht“.
Historische Inhalte ergänzt um aktuelle und zeittypische Dokumente
In zwei der vier Kartuschen befanden sich die historischen Inhalte, die am Tag genau 120 Jahre vorher, am 5. Oktober 1901, in der Turmkreuzkugel verwahrt worden waren und 2019 anlässlich des Startschusses zur Turmhelmsanierung erstmals aus der Turmkreuzkugel geborgen wurden. Neben einer Pergamenturkunde, verfasst vom damaligen Bischof Franz Maria Doppelbauer, fanden sich dabei folgende Inhalte: Teilchen des Hl. Kreuzes, „Agnus Dei“ (päpstlich geweihtes Wachsstück mit Asche von Märtyrern), Knochenreliquien der Heiligen Paulus, Cyprian, Laurentius, Franz von Assisi, Paulus vom Kreuze, der hl. Jungfrauen Theresia und Clara sowie der hl. Witwe Monika und einige kleine geweihte Medaillen. Weiters befanden sich im Inneren der Kartusche eine Ausgabe des „Linzer Volksblattes“ und der „Katholischen Blätter“, das letzte Heft der Dombauzeitschrift „Ave Maria“ und eine Ansichtskarte vom Turmkreuz.
Ein kleiner Auszug der historischen Inhalte, die 2019 erstmals geborgen wurden / (c) Kunstreferat Diözese Linz, Judith Wimmer
Nun, 120 Jahre später, wurden diese Inhalte mit aktuellen Zeitdokumenten ergänzt. Neben chronikalischen und tagesaktuellen Dokumenten, wie zum Beispiel Tageszeitungen und anderen Druckwerken, wurden auch Urkunden, die Zeugnis geben von der Entwicklung und aktuellen Situation der Diözese Linz, in der Kapsel verwahrt. Auch zeittypische Gegenstände wie eine FFP2-Maske, die auf die Corona-Pandemie hinweist, oder Medaillen, die im diözesanen Bereich eine wichtige Rolle spielen, sollen nachfolgende Generationen einen Einblick in die heutige Zeit erlauben. Eine besondere Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt die Beigabe eines verkleinerten 3D-Drucks der Heiligen Familie aus der Krippe im Dom, die aktuell einer umfangreichen Restaurierung unterzogen wird und ab Dezember im Mariendom wieder besucht und besichtigt werden kann. Für immer in der Turmkreuzkugel verewigt sind auch die Namen der Turmpatinnen und Turmpaten, die durch Übernahme von Patenschaften für ausgewählte Turmsteine die Turmhelmsanierung ganz wesentlich unterstützt haben.
Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart: ein 3D-Ausdruck der Heiligen Familie der Krippe im Dom / (c) Kunstreferat Diözese Linz, Judith Wimmer
Mag. Klaus Birngruber, Leiter des Diözesanarchivs, erklärte, dass der Brauch, Schriftstücke und Dokumente in Turmkugeln einzuschließen, relativ alt sei. „In Oberösterreich gehen die Beispiele bis ins 17. Jahrhundert zurück. Begleitet werden die Urkunden oft von Beigaben, die – ähnlich den Schriftstücken – vergangene und gegenwärtige Zeitverhältnisse dokumentieren oder illustrieren sollen. Ergänzt werden die Inhalte oft durch Beigabe von religiösen Objekten wie geweihten Medaillen.“ In vielen Zeitkapseln sind auch Reliquien von Heiligen zu finden. Dazu Mag.a Judith Wimmer vom Kunstreferat der Diözese Linz: „Durch diese erhoffte man sich Schutz und Hilfe für das Gotteshaus und die Gläubigen. Sie sollten einen besonderen Segen verleihen und vor Krankheiten, Naturkatastrophen, Stürmen, Feuer, usw. schützen.“
Klaus Birngruber, Leiter des Diözesanarchivs und Judith Wimmer vom Kunstreferat der Diözese Linz beim sorgfältigen Packen der Zeitkapseln /
(c) Kunstreferat Diözese Linz, Judith Wimmer & Diözesanarchiv, DAL
Für die nächsten 120 Jahre oder länger verschlossen ... Andreas Mayerl verlötet die Kupfer-Kartuschen / (c) Kunstreferat Diözese Linz, Judith Wimmer
Turmhelmsanierung als erster großer Meilenstein
In den vergangenen zwei Jahren wurde der Turmhelm des Mariendoms ab einer Höhe von 65 Metern umfangreich saniert; gestartet wurde mit der Renovierung der Turmspitze und des Turmkreuzes. Im Zuge der weiteren Arbeiten wurden vor allem das rund 3,5 Kilometer lange Fugennetz zwischen den Sandsteinblöcken saniert sowie aus Stein gemeißelte Zierteile restauriert oder neu gefertigt. Die gesamte Steinoberfläche des Turmhelms wurde gereinigt und der obere Turmspitz bis unter den Steinbalkon entsalzt. Die Arbeiten wurden – mit Unterstützung externer Unternehmen – von der Dombauhütte Linz unter der Leitung von Dombaumeister DI Wolfgang Schaffer und Domhüttenmeister Gerhard Fraundorfer durchgeführt. Die Kosten für das Projekt betrugen rund 3,5 Mio. Euro.
Das Team der Dombauhütte / (c) Mariendom Linz
Mit der Turmhelmsanierung wurde der erste und wichtigste Schritt einer Reihe umfangreicher Maßnahmen am Mariendom erfolgreich abgeschlossen. Ein weiteres großes Projekt betrifft die Restaurierung eines Großteils der mehr als hundert wertvollen Gemäldefenster im Mariendom. Diese weisen zahlreiche Beschädigungen – zum Teil durch Granatsplitter im Zweiten Weltkrieg – auf. Vor allem Witterungseinflüsse, Abgase, Vogelkot und die Umweltverschmutzung aus fast 150 Jahren Industrialisierung, aber auch Rückstände von Rost auf der Glasoberfläche haben den Fenstern im Laufe der Zeit zugesetzt. Im Zuge eines Zehn-Jahres-Programmes werden diese 29 reparaturbedürftigen, westseitigen Gemäldefenster bis 2030 restauriert. Den Anfang machten 2021 die Fenster „Stift Wilhering“, „Stift St. Florian“ und „Sendung des Heiligen Geistes“, im kommenden Jahr werden drei Fenster im Hochchor des Mariendoms folgen.
Im Außenbereich des Mariendoms steht von Frühling bis Herbst 2022 die Sanierung des Nordwest-Turmstrebepfeilers im Bereich der oberen Glockenstube am Programm. An diesem stark verwitterten Teil auf der achteckigen Turmbasis müssen Fugen und Steinoberfläche von Moos und Algen gereinigt und behandelt werden. Die teilweise brüchigen Tuffsteinbrüstungen in diesem Bereich werden ebenfalls durch neue Sandsteinbrüstungsteile ersetzt.