Turmkreuzkugel des Linzer Mariendoms erstmalig seit 1901 geöffnet
Vor wenigen Tagen wurde der Aufbau des rund 150 Tonnen schweren Gerüstes am Turm des Mariendoms fertig gestellt. Als einer der ersten notwenigen Schritte der Renovierungsarbeiten werden das rund 5 Meter hohe Turmkreuz und dessen Verankerung begutachtet und eventuelle Schäden repariert. Im Zuge dessen wurde zum offiziellen Start der Turmhelmsanierung am 14. Mai 2019 erstmals seit der Errichtung des Turmes die Kreuzkugel in 130 Meter Höhe geöffnet.
Eine im Inneren der Messingkugel befindliche Kupfer-Kartusche wurde dabei vor Ort in luftiger Höhe an Bischof Dr. Manfred Scheuer übergeben und von diesem nach unten in die Turmhalle des Mariendoms gebracht. In der Kartusche befanden sich – wie im historischen Domführer von Balthasar Scherndl aus dem Jahr 1908 angedeutet – eine Pergamenturkunde, verfasst vom damaligen Bischof Franz Maria Doppelbauer, sowie folgende Inhalte:
Teilchen des Hl. Kreuzes, „Agnus Dei“ (päpstlich geweihtes Wachsstück mit Asche von Märtyrern), Knochenreliquien der Heiligen Paulus, Cyprian, Laurentius, Franz von Assisi, Paulus vom Kreuze, der hl. Jungfrauen Theresia und Clara sowie der hl. Witwe Monika und einige kleine geweihte Medaillen. Weiters befanden sich im Inneren der Kartusche eine Ausgabe des „Linzer Volksblattes“ und der „Katholischen Blätter“, das letzte Heft der Dombauzeitschrift „Ave Maria“ und eine Ansichtskarte vom Turmkreuz.
Bischof Manfred Scheuer: „„Der Dom als Bauwerk ist Zeugnis der Geschichte des Landes und der Kirche in unserem Land: der Stifte und Klöster, der Stadt Linz, des Kaisers, der gesellschaftlich verantwortlichen Kräfte zur Jahrhundertwende. All das zeigt sich auch im Inhalt der Turmkapsel. Die Reliquien, die darin enthalten sind, sagen uns: Wir verdienen uns unseren Glauben nicht durch eigene Schufterei, sondern durch das Zeugnis von Menschen vor uns, letztlich durch Jesus Christus selbst. Mit der Öffnung der Zeitkapsel und der Renovierung des Mariendoms verbinde ich das Thema der Zeitgenossenschaft, aber auch die Frage der Generationengerechtigkeit. Die Renovierung des Mariendoms ist Ausdruck dafür, dass jede Generation Verantwortung zu übernehmen und Zukunft zu gestalten hat, damit Glaube kein Museum und kein Relikt vergangener Zeiten ist – jede Zeit hat in guter, solidarischer und kritischer Zeitgenossenschaft das Evangelium je neu zu leben. Wir haben auch den Auftrag, unseren Glauben so zu leben und die Ressourcen so zu gebrauchen, dass wir unseren Enkelkindern in die Augen schauen können.“
An der feierlichen Öffnung der Kugel nahmen auch Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer und Vize-Bürgermeisterin Karin Hörzing teil, die sich beide freuten, „bei diesem spannenden historischen Ereignis dabei sein zu dürfen“.
Zeitkapseln und Reliquien als wertvolles Kulturgut
„Der Brauch, in Turmkugeln von Kirchen Zeitkapseln mit Reliquien zu hinterlegen, entstammt einer alten Tradition der Bauhütten“, erklärt Mag.a Judith Wimmer vom Kunstreferat der Diözese Linz. „Man legte große Hoffnung in die wundersame Heilkraft bei Krankheit oder zum Abwenden von Unglück. Sie sollten dem Gebäude einen besonderen Segen verleihen und beispielsweise vor Blitzschlag schützen.“ In diesem Sinne seien Reliquien heute als Symbole der Vergänglichkeit und als Glaubenszeugnisse wertvolles Kulturgut.
Mag. Klaus Birngruber, Leiter des Diözesanarchivs, zum Brauch, Zeitkapseln in Kirchtürmen zu verwahren: „Nicht jede Öffnung einer Kreuzkugel kann mit einer Zeitkapsel aufwarten. Der Brauch ist aber durchaus alt und nicht selten, aus Oberösterreich sind weitere Beispiele dokumentiert.“
Umfangreiche Sanierungsarbeiten in den kommenden zwei Jahren
In den kommenden zwei Jahren wird der Turmhelm des Mariendoms ab einer Höhe von 65 Metern umfangreich saniert; gestartet wird mit der Renovierung der Turmspitze und des Turmkreuzes. Dabei werden alle Eisenteile entrostet und Elemente, die neu vergoldet werden, demontiert. Um das Innere der Turmspitze begutachten zu können, sind Sichtbohrungen für den Einsatz von Suchkameras notwendig.
Im Zuge der weiteren Bauarbeiten werden vor allem das rund 3,5 Kilometer lange Fugennetz zwischen den Sandsteinblöcken saniert sowie Krabben (aus Stein gemeißelte Schmuckelemente) und Zierteile restauriert oder neu gefertigt. Die gesamte Steinoberfläche des Turmhelms wird gereinigt und entsalzt. Die Arbeiten werden – mit Unterstützung externer Unternehmen – in erster Linie von der Dombauhütte Linz unter der Leitung von Dombaumeister DI Wolfgang Schaffer und Domhüttenmeister Gerhard Fraundorfer durchgeführt. Die Turmhelmsanierung soll bis Ende 2021 abgeschlossen sein, das geplante Bauvolumen beträgt rund 3,9 Mio. Euro. Bauherrin ist die Bischof-Rudigier-Stiftung.
Turmkreuzweihe vor 118 Jahren
Der Bau des Mariendoms erfolgte nach der Grundsteinlegung am 1. Mai 1862 in vier Phasen. Erst 1886 wurde mit dem Turmbau begonnen. Der Anblick der Baustelle zu dieser Zeit ließ zwei voneinander getrennte Gebäudeteile aufscheinen. Der südliche Teil, mit der Votivkapelle und dem Presbyterium, stand dem nördlichen Gebäudeteil, dem Turm, unverbunden gegenüber. Diese Bautaktik sollte verhindern, dass beim Bau des Doms von den Ursprungsplänen von Vincenz Statz abgewichen oder der Dom insgesamt oder der Turm beispielsweise aus Geldmangel verkleinert werden konnte. Zwei getrennte Gebäudeteile mussten früher oder später verbunden werden. Mittels dieser Bautaktik wurden willkürliche Abweichungen umgangen. Im September 1901 wurde das Kreuz auf die dazu vorgesehene Verankerung gesetzt, die Weihe des Turmkreuzes und der Glocken erfolgte am 1. Mai 1902.
Rückfragen:
Martina Noll, Marketing/Öffentlichkeitsarbeit
Tel 0676.87768801
Email: martina.noll@dioezese-linz.at
Zum Download:
Foto 01: Öffnung der Turmkreuzkugel in 130 Meter Höhe durch Andreas Mayerl
Foto 02: Bischof Manfred Scheuer oben an der Turmspitze
Foto 03: Bischof Manfred Scheuer bei der Öffnung der Kugel mit Andreas Mayerl
Foto 04: Bischof Manfred Scheuer bei der Öffnung der Kugel mit Andreas Mayerl
Foto 05: von li: LH Mag. Thomas Stelzer, Dompfarrer Dr. Maximilian Strasser, vorne Andreas Mayerl, Bischof Dr. Manfred Scheuer, Mag. Klaus Birngruber, LH a.D. Dr. Josef Pühringer (Pro Mariendom)
Foto 06: Begutachtung des Inhalts der Turmkreuzkugel
Foto 07: Pergamenturkunde
Foto 08: Reliquien und Urkunden aus der Turmkreuzkugel des Mariendoms
Foto 09: Reliquien und Urkunden aus der Turmkreuzkugel des Mariendoms