Restaurierung der historisch wertvollen Gemäldefenster im Mariendom Linz
Die Gemäldefenster im Bereich des Hochchores und auf der Westseite des Mariendoms weisen zahlreiche Beschädigungen – zum Teil durch Granatsplitter im Zweiten Weltkrieg – auf. Vor allem Witterungseinflüsse, Abgase, Vogelkot und die Umweltverschmutzung aus fast 150 Jahren Industrialisierung, aber auch Rückstände von Rost auf der Glasoberfläche haben den Fenstern im Laufe der Zeit zugesetzt. Im Zuge eines Zehn-Jahres-Programmes werden diese 29 reparaturbedürftigen Gemäldefenster bis 2030 restauriert. Dabei wird auch eine spezielle Schutzverglasung eingebaut. Aufgrund der arbeits- und kostenintensiven Maßnahmen können pro Jahr maximal drei Gemäldefenster restauriert werden. Den Anfang machen 2021 die Fenster „Stift Wilhering“ und „Stift St. Florian“ im Querschiff sowie das Fenster „Sendung des Heiligen Geistes“ im Hochchor des Mariendoms. Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich bis 2030 auf rund 1,5 Mio. Euro.
Die Restaurierung der Fenster wird in Zusammenarbeit mit der Glasmalerei Stift Schlierbach und unter fachlicher Begleitung des Bundesdenkmalamtes durchgeführt. Unmittelbar nach Ausbau der Bleiglasfelder wird eine Schutzverglasung aus Schlierbacher Restaurationsglas mit leicht welligem und strukturiertem Erscheinungsbild eingesetzt. Diese Schutzverglasung schützt die wertvolle Malerei zukünftig vor mechanischen Beschädigungen und Witterungseinflüssen. Eine Schwitzwasserrinne sorgt dafür, dass schädliches Kondensat nicht mehr an der hochwertigen, bemalten Innenoberfläche der historischen Scheiben, sondern an der Schutzverglasung auftritt und dort kontrolliert ablaufen kann. Vor Ort werden auch die angerosteten Sturmstangen grundiert und beschichtet.
In der Glasmalerei Stift Schlierbach werden die Glasfelder in einem ersten Schritt vorsichtig gereinigt. Danach werden gebrochene Glasteile geklebt und Teile mit Splittersprüngen farblich neu gefasst. Fehlstellen müssen mit mundgeblasenen Echtantikgläsern in passender Farbe, Struktur und Herstellungsart ersetzt werden. Auf der färbigen Seite der Felder werden gerissene Stellen an den Bleistegen, verursacht durch Sonneneinstrahlung und Eigenlast, neu verlötet und durch Patinieren farblich angeglichen. Eine für die Statik und zum Schutz der Verbleiung bedeutende Maßnahme stellt das Neuverkitten sämtlicher Bleistege mit Leinölkitt dar. Die historischen Windsprossen auf der Innenseite der Verglasung werden abgenommen, saniert und mit neuen Bleihaften wieder angebracht. Nach erfolgter Restaurierung in Schlierbach werden die Glasfelder im Mariendom rund drei bis vier Zentimeter zur neuen Schutzverglasung vorgesetzt.
Robert Geyer-Kubista, Geschäftsführer der Glasmalerei Stift Schlierbach, zeigt sich vom Glasbestand des Linzer Mariendoms beeindruckt. „Als Glasmaler fasziniert mich die unglaublich hohe Qualität der feinen Schwarzlot- und Silbergelbmalerei der Domfenster. Beachtlich ist auch die Konsequenz, mit der der gesamte Fensterbestand in so hoher Qualität umgesetzt wurde. Man muss bedenken, dass es über die 50-jährige Entstehungszeit der Fenster eine unglaubliche Entwicklung von der Neugotik zur Moderne gab.“
Mariendom als Modellprojekt für die Restaurierung neugotischer Gemäldefenster
Die Restaurierung der Gemäldefenster erfolgt im Zuge eines Zehn-Jahres-Programmes durch die Glasmalerei Stift Schlierbach, denkmalpflegerisch betreut von Seiten des Bundesdenkmalamtes (Abteilung für Oberösterreich) in Zusammenarbeit mit der Kunsthistorikerin Dr.in Christina Wais. Seit 2019 ist sie mit der archivarischen, fotografischen und kunsthistorischen Aufarbeitung des umfangreichen Glasmalerei-Bestandes des Linzer Mariendoms beschäftigt. Sie ist aktives Mitglied des Österreichischen Nationalkomitees des Corpus Vitrearum, einer internationalen Forschungsgemeinschaft, die 1952 mit dem Ziel der Erforschung und Erhaltung von Glasmalereien gegründet wurde (www.corpusvitrearum.org).
Im Zuge des Programmes werden speziell bei der Befundung und Analyse der Schäden neue Maßstäbe für neugotische Bleiglasfenster gesetzt. Das Restaurierungsziel wird vom Bundesdenkmalamt festgelegt. Fragen, wie mit der Versorgung von Sprüngen und Fehlstellen umzugehen ist, werden konkret besprochen und entschieden. Oberstes Ziel dabei ist es, möglichst viel Originalsubstanz zu erhalten und zu bewahren. Darauf aufbauend wird ein umfangreicher restauratorischer und konservatorischer Maßnahmen-Katalog entwickelt. Auf Basis dessen sollen, um eine stringente und nachvollziehbare Vorgehensweise zu gewährleisten, zukünftige Restaurierungen neugotischer Gemäldefenster landesweit erfolgen. Für jedes Gemäldefenster wird in weiterer Folge eine Schadenskartierung erstellt. Das bedeutet, dass Schäden, Fehlstellen, aber auch frühere Restaurierungen wie Klebestellen in einer Fensterdarstellung eingetragen werden. „Die Restaurierung der Fenster des Mariendoms wird einen wichtigen Beitrag leisten, um in der Öffentlichkeit aufzuzeigen, dass Glasmalereibestände des 19. und 20. Jahrhunderts einen untrennbaren Bestandteil von historischen Gebäuden ausmachen und mit derselben konservatorischen und restauratorischen Sorgfalt behandelt werden müssen, wie dies bereits für Glasgemälde des Mittelalters selbstverständlich geworden ist“, so die Kunsthistorikerin Christina Wais. Auch die Glasmalerei Stift Schlierbach sieht diese neue Vorgehensweise als Chance. „Wir befassen uns sehr intensiv mit neuen Möglichkeiten zur Glasveredelung und -gestaltung sowie mit dem Erhalt historischer Glassubstanz. Nun wird ein neuer Maßstab gesetzt, da die Erkenntnisse beim Umgang mit mittelalterlichen Glasgemälden jetzt auch auf neugotischen Bestand übertragen werden“, so Geschäftsführer Robert Geyer-Kubista.
Gemäldefenster erzählen Diözesan- und Landesgeschichte
So wie der Mariendom in fünf Bauetappen errichtet wurde, stammen auch die insgesamt mehr als 100 gestalteten Fenster des Doms aus unterschiedlichen Zeiten. Beinahe zeitgleich mit der Errichtung des Bauwerks ab dem Jahr 1862 kam es zur Beauftragung der ersten monumentalen Glasgemälde für die Fenster der Votivkapelle bei der ebenso erst 1861 neu gegründeten Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt in Innsbruck. Diese Fenster zeigen die Gottesmutter Maria in biblischen Szenen und zeichnen sich insbesondere durch kräftige, farbige Akzente in Grundfarben aus.
Aus dem zweiten Bauabschnitt zwischen 1868 und 1885 stammen die Gemäldefenster im Kapellenkranz und Hochchor. Während erstere im Zweiten Weltkrieg zerstört und erst 1995 durch neue Fenster des Künstlers Karl Martin Hartmann ersetzt wurden, sind die elf Fenster des Hochchores noch im Originalzustand aus 1885 erhalten. Sie sind deutlich größer als die Votivkapellenfenster und ermöglichten daher auch eine völlig andere künstlerische Umsetzung. Diese Fenster wurden dem Thema „Maria im Leben Jesu“ gewidmet und auf Basis von Entwürfen der Künstler Franz Plattner und Alfons Walder von der Tiroler Glasmalerei gefertigt.
Die 42 Fenster des Lang- und Querhauses sowie die drei beeindruckenden Rosetten stellen die umfangreichste und berühmteste Fenstergruppe des Mariendoms dar. Sie wurden im Zeitraum zwischen 1910 und 1924 geschaffen und prägen aufgrund ihrer Größe und Gestaltung ganz wesentlich das Erscheinungsbild des Mariendoms. Die Darstellungen dieser Fenster folgen inhaltlich dem Wunsch Bischof Rudolph Hittmairs (1909 - 1915), nicht nur die Gottesmutter Maria als Schutzfrau Oberösterreichs, sondern auch markante Begebenheiten, Persönlichkeiten und Landschaften Oberösterreichs zu präsentieren. So erzählen diese Gemäldefenster in ihren detailreichen Darstellungen aus der Geschichte der Diözese Linz, über wichtige Ereignisse im Leben von Bischof Franz J. Rudigier sowie die Geschichte der Erbauung des Mariendoms. Weitere Abbildungen zeigen geistliche Orte, Klöster, Stifte und Pfarren des Landes und seiner Nachbarregionen. Besonders wichtig war es Bischof Hittmair, die Bilder der Menschen zu zeigen, die am Dombau beteiligt waren oder die das Entstehen des Doms miterlebten. Die Darstellung von Personen in Form von Porträts nach der Vorlage von Fotografien ist dabei ein besonderes Merkmal der Gemäldefenster im Mariendom. Die Fotografien dienten anfänglich als Hilfestellung für die ausführenden Künstler. Später wurden sie gezielt dafür verwendet, StifterInnen und SpenderInnen der Fenster in diesen darzustellen. Die SponsorInnen wirkten dabei als TeilnehmerInnen an bedeutenden Ereignissen wie der Wallfahrt ins Heilige Land mit oder liehen geschichtlichen Akteuren ihr Gesicht.
„Gerade diese Fenstergruppe des Linzer Mariendoms, die in einer Zeit größten historischen Umbruchs am Ende der Donaumonarchie entstanden ist, avancierte zu einem überaus wichtigen ´landesgeschichtlichen´ Denkmal Österreichs, dessen kulturhistorische Bedeutung in seiner für ein ganzes Land identitätsstiftenden Wirkung bis in die heutige Gegenwart gegeben ist“, so Kunsthistorikerin Wais über die Bedeutung dieser Fenstergruppe. „Diese insgesamt mehr als 2.000 m2 farbenfrohen neugotischen Bleiglasfenster erzählen bilderhaft einen wichtigen Zeitabschnitt an der Schwelle in das so ereignisreiche 20. Jahrhundert. Das macht sie auch heute noch so wertvoll für uns“, ergänzt Dombaumeister DI Wolfgang Schaffer. Faszinierend ist für ihn „die optische Kontinuität, auch in der Farbdichte der Komposition.“
Als der Mariendom 1924 geweiht wurde, war der Bau noch nicht vollständig. Erst 1928 war es möglich, den letzten Teil des Fensterprogrammes zu finanzieren und die Turmkapellenfenster bei der oberösterreichischen Glaswerkstätte Josef Raukamp in Auftrag zu geben. Die Wirkung dieser Fenster beruht auf der Kleinteiligkeit und Farbenpracht der floralen Muster.
Bischof Manfred Scheuer über die Gemäldefenster im Mariendom
„Jedem, der schon einmal eine Kathedrale besucht hat, dem fallen die Kirchenfenster auf, die in kräftigen Farben leuchten. Gerade durch das Licht haben sie oft eine faszinierende Wirkung auf uns. Sie sind so etwas wie eine Brücke zwischen Himmel und Erde, Fenster zur Transzendenz. Kirchenfenster haben über ihre architektonische Funktion als Lichteinlass hinaus stets eine starke symbolische Bedeutung. Sie verweisen auf Christus, der als geistiges Licht die Gemeinschaft der Gläubigen erhellt. „Ich bin das Licht der Welt.“ (Joh 8,12). Und sie verbinden unsere Lebens- und Landesgeschichte mit der Heilsgeschichte.
Die Glasfenster des Mariendoms sind eine einzigartige Komposition von Glaubensbekenntnis, historischem Kontext und oberösterreichischem Lokalkolorit. Schon bei der Planung des Mariendoms spielte das Bildprogramm eine große Rolle. Einer der ersten Fensterzyklen beschäftigt sich mit der Rolle Marias im Leben Jesu. Es ist Bischof Rudigier schon damals darum gegangen, die Fenster als Bildprogramm zur Glaubensverkündigung zu nutzen. Wie wichtig die Fenster in der Gestaltung des Mariendoms waren und sind, zeigt sich auch daran, dass der Innenraum sehr dunkel gehalten wurde und sogar die Fugen im Ziegelgewölbe nachträglich gerußt wurden. Bischof Rudigier wollte sozusagen ein „Glaubensbekenntnis in Bildern“ schaffen.
Bischof Hittmair, der dritte Nachfolger Rudigiers, hat sich besonders intensiv mit dem Bildprogramm der Fenster beschäftigt und viele Themen selbst vorgegeben. Er war außerdem stark in die Diskussionen um Details mit der Glaswerkstätte und den Geldgebern involviert. Viele Szenen in den Fenstern aus dieser Zeit, vor allem im Langschiff, haben die Geschichte des Dombaus zum Inhalt – quasi auch als Zeugnis der großen Bedeutung dieses Bauwerkes für die Kirche in Oberösterreich. Die Fenster in den Obergaden mit den vielen Stiften und Wallfahrtsorten bringen ganz Oberösterreich in den Mariendom und zeigen, dass der Mariendom Bedeutung für das Glaubensleben weit über Linz hinaus hat. Die Sanierung bietet auch Gelegenheit, die zahlreichen Geschichten, die sich um die Bilder ranken, zu erzählen und zu beleuchten.
Auch heute noch ist es die Aufgabe des jeweiligen Bischofs, die Besonderheit und Strahlkraft des Mariendoms zur Geltung zu bringen. Jede Zeit findet dafür ihre eigenen Ausdrucksweisen. Die neue Innengestaltung des Domes beispielsweise verwirklichte die Vorgaben des 2. Vatikanischen Konzils und verdeutlicht auch die Öffnung und Communio/Gemeinschaft der Kirche hierzulande.
Es freut mich sehr, dass die Gemäldefensterrestaurierung angegangen wird. Sie kann auch als Modellprojekt für die Erarbeitung neuer Maßstäbe für die Sanierung von neugotischen Gemäldefenstern dienen. Gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt sollen hier Maßstäbe erarbeitet werden, die es zwar für die Restaurierung gotischer Fenster, noch nicht aber für neugotische Fenster gibt.“
Die Restaurierung der Gemäldefenster unterstützen
Nur mit Hilfe großzügiger Förderer war es in der Zeit der Errichtung des Doms möglich, das umfangreiche und hochwertige Fensterprogramm umzusetzen und den Mariendom vollenden zu können.
Auch jetzt bittet die Initiative Pro Mariendom die Menschen in Oberösterreich, die Restaurierung der Gemäldefenster zu unterstützen und damit ein wesentliches Stück oberösterreichische Kunstgeschichte für kommende Generationen zu erhalten. Eine Möglichkeit, dies zu tun, bietet sich ab Mai in Form der Domlotterie nach historischem Vorbild.
Spendenkonten:
Oberbank / IBAN: AT21 1500 0007 2146 9922
RLB OÖ / IBAN: AT23 3400 0000 0016 3881
SPARKASSE OÖ / IBAN: AT14 2032 0327 0425 9295
Informationen über die mögliche steuerliche Absetzbarkeit der Spenden finden sich auf www.promariendom.at.
Auch das von 2020 coronabedingt auf 27. Juni 2021 verschobene Benefizkonzert des Bruckner Orchesters kommt den aktuellen Restaurierungsprojekten zugute. Unter der Leitung von Dirigent Dennis Russell Davies präsentiert das Orchester im beeindruckenden Ambiente der größten Kirche Österreichs eine Symphonie von Anton Bruckner. Weiterer Höhepunkt des Abends ist die Aufführung des Te Deum, eines der bedeutendsten großen Chorwerke des oberösterreichischen Komponisten. Dargeboten wird das Werk von einem Zusammenschluss mehrerer Linzer Chöre: Domchor, Brucknerchor, Collegium Vocale sowie der Chor des Linzer Adalbert Stifter Musikgymnasiums.
Zum Download:
Fotos (honorarfrei unter Angabe des jeweiligen Credits):
- Foto 01 (© Günter Meindl) sowie Fotos 02,03,04 (© Erwin Wodicka): Die beeindruckenden Gemäldefenster prägen das Erscheinungsbild und die Raumwirkung des Mariendoms
- Die Fotos 05,06 und 07 (© www.kunstverlagpeda.de) zeigen die Fenster, die 2021 restauriert werden
- Die Fotos 08, 09, 10, 11 und 12 (© Mariendom/Wurm) zeigen Restaurierungs-maßnahmen in der Glasmalerei Stift Schlierbach
- Fotos 13 und 14 (© Mariendom): von rechts: Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer, Robert GeyerKubista (Glasmalerei Stift Schlierbach) und Dr. Josef Pühringer, Vorsitzender Pro Mariendom
Rückfragen: Martina NOLL, 0676.87768801